Schwalmtal

Nordrhein-Westfalen

Bevölkerungszahl: 18.826
Fläche: 48 km²

  • Wind
  • Solar
© Weißbarth Regenerative Energien

Schwalmtal ist keine Gemeinde, die mit großen Worten auf sich aufmerksam macht. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Hier wird die Energiewende nicht nur gedacht, sondern gemacht. Strategisch, integriert und mit Beteiligung der Bürger*innen. Mit einem Repowering-Projekt, dem kontinuierlichen Ausbau erneuerbarer Strukturen, einem neuen Verständnis von Verwaltung und klarer gesellschaftlicher Zielsetzung entwickelt sich die Gemeinde im Kreis Viersen zu einem Ort, der zeigt, wie Zukunft auf kommunaler Ebene konkret gelingen kann.

Repowering, Windkraft und regionale Strommärkte

Am Rande der Gemeinde drehen sich auf einem Hügel moderne Windräder, die von weitem sichtbar sind. Noch vor wenigen Jahren standen hier deutlich kleinere Anlagen. Inzwischen wurden sie durch zwei leistungsstarke Turbinen ersetzt. Eine davon: eine Enercon E-160 mit einer Nabenhöhe von 166 Metern. Die Stromproduktion stieg durch das Repowering auf etwa 30 Millionen Kilowattstunden jährlich. Das ist genug für rund 10.000 Haushalte. Die Flächen blieben die gleichen, doch das Potenzial vervielfachte sich. Das Projekt zeigt, wie Erneuerung im besten Sinne aussieht: effizient, flächensparend und zukunftsorientiert. Die beiden neuen Anlagen sind Teil eines größeren Ausbaus. Inzwischen befinden sich 15 Windenergieanlagen mit einer Leistung von jeweils 4,2 bis 7,2 Megawatt auf dem Gemeindegebiet. Weitere befinden sich im Bau oder im Genehmigungsverfahren.

Kürzlich wurde auch die Entwicklungsunterstützung eines regionalen Strommarktes beschlossen. Ziel ist es, langfristig Stromtarife zu entwickeln, die die lokale Erzeugung aus Erneuerbaren Energien stärker berücksichtigen.

Die Einnahmen aus dem Windpark kommen auch der Gemeinde selbst zugute. Pro Windrad erhält die Region über die EEG-Umlage jährlich zwischen 20.000 und 26.000 Euro. Diese Mehreinnahmen fließen direkt in den kommunalen Haushalt. Sie sind verbunden mit der Chance, Investitionen in soziale Infrastruktur, Bildung oder Klimaschutz zu ermöglichen, anstatt dass diese Mittel an überregionale Akteure abfließen. Doch Schwalmtal denkt weiter. Ein Prüfauftrag des zuständigen Umweltausschusses widmet sich derzeit der Frage, wie sich die Kommune auch jenseits von Abgaben an Wind- und Solarprojekten beteiligen kann, etwa durch den Aufbau einer eigenen Betreibergesellschaft. Ziel ist es, dass mehr von der Energieerzeugung und Wertschöpfung dauerhaft vor Ort verbleibt. Auch die Gründung einer Energiegenossenschaft ist in Planung. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Beteiligung, sondern um gemeinschaftliches Ownership, um Modelle wie Energy Sharing und einen echten Mehrwert für die Menschen vor Ort.

Verwaltung als Treiberin der Transformation

Diese Haltung zeigt sich auch im strategischen Aufbau der Verwaltung. Die ursprünglich als reine Klimamanagement-Stelle ausgeschriebene Funktion wurde zur ressortübergreifenden Stabsstelle Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit weiterentwickelt, mit dem klaren Anspruch, Transformation als Querschnittsaufgabe der gesamten Gemeinde zu denken. Dabei wird nicht auf Einzelprojekte gesetzt, sondern auf Integration. Kommunale Wärmeplanung, Klimafolgenanpassung, Elektromobilität und Energieerzeugung greifen ineinander. „Ein zentraler Erfolgsfaktor liegt im systemischen Aufbau von Fachwissen innerhalb der Verwaltungsstrukturen, um den komplexen und dynamischen Transformationsprozess effektiv zu begleiten“, sagt Dr. Michael Buijzen, Klimamanager der Gemeinde Schwalmtal. „Die Verwaltung trägt die Verantwortung, Zusammenhänge zu erkennen und ganzheitlich zu denken.“

Eine Gesamtstrategie für Schwalmtal ist in Arbeit. Erste Bausteine werden bereits umgesetzt oder sind auf dem Weg, etwa der Gemeindeentwicklungsplan mit integriertem Leitbild Klima-Transformation oder die Nutzung digitaler Instrumente zur Verhaltensänderung im Alltag.

Mobilität, Beteiligung und Kommunikation

Ein Beispiel dafür ist die Klima-Taler-App, mit der die Gemeinde nachhaltiges Verhalten ihrer Bürger*innen spielerisch belohnt. Wer Rad fährt, Energie spart oder klimafreundlich einkauft, sammelt Punkte, die für lokale Prämien eingelöst werden können. Das Modell zeigt, wie niedrigschwellige digitale Instrumente motivieren und Bewusstsein stärken können. Es ist ein interessanter Baustein kommunaler Klimakommunikation, der auch in größeren Städten Nachahmerinnen finden dürfte.

Im Bereich der Elektromobilität geht Schwalmtal ebenfalls in Vorleistung. Bereits heute sind 15 Ladesäulen errichtet. Bis Ende 2026 sollen auf öffentlichen Flächen 26 Ladesäulen mit jeweils zwei Ladepunkten entstehen, insgesamt also 52 Ladepunkte. In Relation zur Größe der Gemeinde ist das bemerkenswert. Hinzu kommt Ladeinfrastruktur im Einzelhandel sowie ein kontinuierlicher Ausbau kommunaler Mobilitätsangebote. 

All diese Maßnahmen sind keine Einzelereignisse, sondern Ausdruck eines systematischen Ansatzes. Die Gemeinde vernetzt sich mit Fachverbänden auf Landes- und Bundesebene, tauscht sich mit Hochschulen aus, entwickelt interne Weiterbildungsprozesse und bindet zugleich die Bevölkerung ein. Ob durch öffentliche Veranstaltungen, Buchclubs zu Klima- und Zukunftsthemen oder durch transparente Echtzeitinformation zur Stromproduktion im Rathaus: Die Energiewende wird in Schwalmtal nicht verordnet, sondern vermittelt.

Natürlich verläuft auch in Schwalmtal nicht alles konfliktfrei. Auch hier gibt es Aushandlungsprozesse, begrenzte Mittel und politische Diskussionen. Doch entscheidend ist der Umgang damit. Offen, strategisch und mit dem klaren Ziel, langfristig kommunale Handlungsfähigkeit zu sichern: ökologisch, wirtschaftlich und sozial.

Dr. Robert Brandt, Geschäftsführer der AEE, freut sich: „Schwalmtal zeigt, wie kommunale Energiewende geht. Digital, strategisch und mit echter Beteiligung. Hier wird nicht inszeniert, sondern umgesetzt.“

Schwalmtal ist keine perfekte Energie-Kommune. Aber eine glaubwürdige. Eine, die aus ihren Möglichkeiten das Beste macht und sie Stück für Stück erweitert. Sie zeigt, dass Klimaschutz nicht nur global gedacht, sondern lokal gelebt werden muss. Und dass die entscheidenden Schritte oft nicht spektakulär, sondern pragmatisch, langfristig und gut vernetzt sind.

Kommunale Pflichtaufgaben

  • Verkehr/Mobilität

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Veröffentlicht: Juli 2025